Nachgehakt Unser Reporter schaute sich an dem Ort um, aus dem das Telefonat mit der Bombendrohung gegen das Uniklinikum kam
Ein Schild an der Crossener Telefonzelle, von der aus der Anruf mit der Bombendrohung gegen das Uniklinikum Jena kam. Foto: Jens Henning
Crossen. Auf diese Berühmtheit hätte Crossens Bürgermeister Uwe Berndt liebend gern verzichtet. „Natürlich ist es wichtig, dass man als Crossen an der Elster immer im Gespräch ist, aber nicht mit diesem Thema. Das geht ja gar nicht“, sagte das Stadtoberhaupt.
Gestern, 9.40 Uhr, war es drei Wochen her, da rückte die einzig verbliebene Telefonzelle auf dem Marktplatz in Crossen direkt vor dem Gasthof und Hotel „Weißes Roß“ in den medialen Fokus. Ein Unbekannter hatte von dieser Zelle aus im Universitäts-Klinikum in Jena angerufen und eine Bombendrohung formuliert. Die erwies sich zum Glück als nicht echt. Dennoch wurden Teile des Klinikums vorsorglich evakuiert. In und um das Klinikum herrschte über mehrere Stunden ein Ausnahmezustand. Zufahrten wurden gesperrt.
Dass der Anruf des Unbekannten aus der Telefonzelle in Crossen kam, wurde erst in der Vorwoche bekannt, als die Polizei einen öffentlichen Zeugenaufruf startete. „Ich war überrascht, dass die Polizei nicht unmittelbar nach der Tat aktiv wurde. Da wäre die Wahrnehmung der Leute aus der Bevölkerung doch eine ganz andere gewesen. Da hätte man sich vielleicht noch an etwas erinnern können. Aber so, zwei Wochen später, war die Chance doch sehr gering, da überhaupt noch jemanden zu finden“, sagte Berndt.
Von der Sprecherin der Jenaer Polizei, von Steffi Kopp, erhielt unsere Zeitung die Standard-Antwort auf Fragen bei solch brisanten Fällen: „Aus ermittlungstaktischen Gründen haben wir diesen Weg gewählt“. Und auch die zweite Frage nach dem Stand der Ermittlungen beantwortete sie dementsprechend. „Es gibt nichts Neues. Die Ermittlungen der Kriminalpolizei laufen.“
Im Umfeld der Telefonzelle der Telekom, die 1997 im Zuge des Neubaues der Straße errichtet wurde und bis zuletzt auch noch zum Telefonieren genutzt wurde, wusste man schon einen Tag nach dem Anruf Bescheid. Am Mittwoch, 18. Oktober, waren Beamte der Jenaer Kriminalpolizei vor Ort. Sie hatten offenbar den Anruf rückverfolgt und landeten in Crossen. Die Spezialisten befragten alle in Frage kommenden Zeugen.
Dazu gehörte auch die Mitarbeiterin der Schönheitspflege. Der Salon des Unternehmens mit Hauptsitz in Kahla liegt keine 50 Meter entfernt von der Telefonzelle. „Das war damals mein erster Arbeitstag nach dem Urlaub. Ich kann mich noch genau erinnern. Der Parkplatz vor unserem Laden war ziemlich voll. Und auch auf dem anderen Parkplatz vorm Roß gab es kaum noch freie Plätze. Das war schon ungewöhnlich für diese Uhrzeit“, sagte die Mitarbeiterin des Friseur-Geschäftes. Dass 40 Minuten nach Öffnung ihres Ladens ein Mann diesen Anruf tätigen würde, das konnte keiner ahnen. Etwas überrascht war sie, dass niemand aus der näheren Umgebung eine solch männliche Person ausgemacht hatte.
„Man kennt sich ja hier in der Straße. Da fällt es doch auf, wenn ein Unbekannter in die Telefonzelle geht und anruft. Heutzutage hat doch fast jeder ein Handy. Wer telefoniert da noch aus einer Telefonzelle heraus?“, sagte die Frau.
Der Wirt vom Weißen Roß, Ralf Bäselt, der seit 1992 das Lokal führt, erfuhr über Umwege von der Bombendrohung. „Meine Frau und ich waren beschäftigt an den Tag. Wir haben erst mal nichts mitbekommen, obwohl die Zelle genau vor unserem Haus steht“, sagte Bäselt.
Von seinen Gästen, vor allem von denen von außerhalb, wurde die Telefonzelle schon wie ein kleiner Schatz behandelt. „Ich musste vielen Leuten erklären, dass die Telefonzelle tatsächlich noch funktioniert. Sie hatten es wohl als längst vergessenes Relikt angesehen. Einige wollten mir das gar nicht glauben. Sie haben sich sogar mit der Zelle fotografieren lassen“, sagte Bäselt.
Dass diese Form der Nachrichtenübermittlung im Jahr 2017 überhaupt noch in Crossen zu finden ist, lag auch an der Gemeinde, am Bürgermeister. „Die Telekom wollte die Zelle schon längst abschalten und wegnehmen. Wir haben uns immer dagegen gewehrt. Bisher hatten wir Glück. Doch jetzt ist wohl das Ende eingeläutet. Dass jetzt diese Geschichte mit der Bombendrohung passierte, ist natürlich kein schöner Abschluss für die Telefonzelle“, sagte Berndt.
Bis 1997 stand dort noch ein gelbes Telefon-Häuschen, aus DDR-Zeiten, erinnerte sich die Mitarbeiterin beim Friseur. Aus der gelben Telefonzelle wurde vor 20 Jahren dann die grau-weiß-magentafarbene.
Gestern Morgen, drei Wochen nach der Bombendrohung, wirkte der Platz um die Telefonzelle nahezu wie ausgestorben. Die Autos, die an den Parkflächen vorbei fuhren, konnte man an zwei Händen abzählen.
„Ja, heute ist es wirklich sehr ruhig. Um so erstaunlicher war dieser 17. Oktober. Da war irgendwie alles anders. Wir hatten auch bei uns im Geschäft richtig zu tun. Okay, ich hatte die Termine auch so gelegt, dass ich meine Kunden und Kundinnen frisieren kann, wenn ich wieder aus dem Urlaub zurück bin“, sagte die Frau aus der Schönheitspflege.
Auch sie fragte sich, was sich alle in Crossen fragen: „Warum macht man so etwas nur? Wir haben uns die Tage danach oft darüber unterhalten im Geschäft. Wir sind aber auf keine schlüssige Erkenntnis gekommen.“
Bürgermeister Berndt ist auch ratlos. „Meine Frau hat mich nur gefragt, warum die Polizei mir nicht das Band mal abspielt. Ich würde doch jeden aus dem Ort kennen. Ich würde sofort helfen, wo ich kann. Es wäre wirklich schlimm, wenn der Täter nicht gefasst werden könnte. Dann würde über Crossen so etwas wie ein Fluch liegen. So eine Geschichte bleibt ja in den Köpfen der Leute hängen. Und brüsten wollen wir uns damit als Crossener nun wirklich nicht“, sagte Berndt.
OTZ Jens Henning / 08.11.17