Die Telekom baute gestern das Häuschen ab. Ein Fernsprecher für den Notfall bleibt
Das Basis-Telefon, das gestern kurz nach zwölf Uhr aufgebaut war, funktionierte auf Anhieb. Bürgermeister Berndt griff zum Hörer und vernahm in seinem linken Ohr das typische Freizeichen. Foto: Jens Henning
Crossen. Seit gestern Mittag hat der Ort Crossen keine öffentliche Telefonzelle mehr. Die Mitarbeiter der Firma Kabel Netzwerk Service (KNS) aus Niederwiesa bei Chemnitz hoben das Telefon-Haus vor dem Gasthof und dem Hotel „Weißes Roß“ aus der Verankerung und verluden es auf einen Transporter.
Drohung gegen Klinikum von diesem Apparat
„Ein wenig Wehmut ist schon dabei. Es geht damit ein Stück Crossener Geschichte verloren. Wir waren stolz, dass wir noch ein eigenes Telefonhäuschen hatten. Die verschwanden nach und nach. Ich weiß zwar nicht, wie viele Menschen aus Crossen oder auch Gäste von dieser Telefonzelle aus in die weite Welt aus noch angerufen haben. Die Zelle wird aber ab sofort fehlen im Stadtbild, ganz sicher. Ich denke hier vor allem auch an die älteren Bürger von Crossen. Da gibt es bestimmt einige, die könnten Geschichten erzählen. Vielleicht begann an dieser Stelle in Crossen die große Liebe. Es ist nun mal ein markanter Ort“, sagte Crossens ehrenamtlicher Bürgermeister Uwe Berndt.
Das Telefonhaus von Crossen erlebte in seinen letzten Tagen noch einmal überregionale Berühmtheit. Von dieser Zelle hatte ein Unbekannter in Richtung Jenaer Klinikum angerufen und eine Bombendrohung angekündigt. Die bestätigte sich nicht. Keine 24 Stunden nach dem Anruf waren die Spezialisten der Polizei in Crossen vor Ort.
Der Anrufer konnte bisher nicht ermittelt werden. Ob er überhaupt noch überführt werden kann, ist seit gestern äußerst fraglich. „Ich weiß, dass die Kriminalpolizei damals die Anrufanlage samt Münzsprecher ausgebaut hatte, um vielleicht an Hand von Fingerabdrücken auf den Täter zu kommen“, sagte Berndt.
Statt des Telefonhauses haben die Crossener und ihre Gäste ein sogenanntes Basis-Telefon bekommen. Dahinter steckt eine Säule aus Edelstahl, versehen mit einem Telefon. Berndt freute sich, dass zumindest diese Notfall-Variante für Crossen existiert. „Man weiß ja nie, wenn die Handy-Netze mal ausfallen sollten, was wir nicht hoffen, haben wir eine Stelle im Ort, um einen Notruf absetzen zu können“, sagte der Bürgermeister.
Über zwei Jahrzehnte zierte das Haus mit den typischen Magenta-Farben den Platz an der Hauptstraße Crossens. 1997 wurde das Häuschen aufgestellt, im Zuge der Fertigstellung der Straße. Davor stand das gelbfarbene Telefon-Haus der Deutschen Post.
Ralf Bäselt, Inhaber vom „Weißen Roß“, erinnerte sich an einige Gäste, die sich mit der Telefonzelle fotografieren ließen. „Einige haben gedacht, dass die Telefonzelle gar nicht mehr funktioniert. Sie dachten, die Zelle steht nur noch so da. Als sie die Nummer gewählt hatten und ihren Freund oder Bekannten am Ohr hatten, wussten sie, dass das Telefon tatsächlich noch geht. Einige Hotelgäste machten sich sogar einen Spaß, und wählten unsere Nummer vom Hotel. Wir haben an der Nummer gleich gesehen, dass der Anruf aus der Zelle kam“, sagte Bäselt.
Für die beiden Kollegen aus der Nähe von Chemnitz war die Montage Routine. „Wir sind im Auftrag der Telekom deutschlandweit unterwegs. Vor kurzem waren wir in den alten Bundesländern. Heute sind wir hier. In den nächsten Tagen haben wir noch in Hermsdorf und in Jena zu tun“, sagte KNS-Mitarbeiter Andre Oettler.
Das Telefonhaus in Crossen hat ausgedient. Es wird einer Entsorgungsfirma zugeführt. „In der jüngeren Vergangenheit gab es einige Anfragen für ein Umnutzung des Häuschens. So eine Zelle ist aber nicht ganz billig“, sagte der KNS-Mann.
Schaut man ins Internet, findet man verschiedene Formen der Nachnutzung. Die reichen von einem Mini-Tonstudio bis zu einem Bücherschrank im Freien.
Das Basis-Telefon, das gestern kurz nach zwölf Uhr aufgebaut war, funktionierte auf Anhieb. Bürgermeister Berndt griff zum Hörer und vernahm in seinem linken Ohr das typische Freizeichen.
Wie lange die Basis-Station in Crossen stehen wird und wie viele Anrufe nötig sind, um die Wirtschaftlichkeit zu garantieren, konnt gestern in der Pressestelle des Deutschen Telekom in Leipzig nicht erfragt werden.
Die Hoch-Zeit der Telefonhäuschen in Deutschland war in die 1990er Jahren. Da soll es in der gesamten Bundesrepublik über 160 000 Häuschen gegeben haben, eines davon in Crossen.
OTZ Jens Henning / 09.01.18